Steve Peterson – Event DJ Berlin empfiehlt: Miles Davis – Ascenseur pour l’Échafaud (1958) – Seit ich mich mit der Historie von Detroit-Techno auseinandersetze, begegnet mir immer wieder der Vergleich mit Jazz im Hinblick auf den kreativen Entstehungsprozess der Musik. Protagonisten Jeff Mills, Laurent Garnier oder Mike Banks beschwören immer wieder den Einfluss von Jazz auf ihre Herangehensweise in Bezug auf die Produktion ihrer Musik. Seit ich Miles Davis – Ascenseur pour l’Échafaud auf dem Flohmarkt im Garten des Berliner Clubs Berghain erstanden habe, verstehe ich die Verbindung noch deutlicher.

Ascenseur pour l’Échafaud – Musik und Film

Das Album Ascenseur pour l’Échafaud von Miles Davis, das ursprünglich als Soundtrack für den gleichnamigen französischen Film von Louis Malle dient, ist ein faszinierendes Beispiel für die Symbiose von Jazz, Improvisation und visueller Kunst. Aufgenommen am 4. und 5. Dezember 1957, unter der Leitung von Davis, entstand das Werk in einer einzigartigen Atmosphäre, in der der Film vor den Musikern auf eine Leinwand projiziert wurde. Diese besondere Sessions-Konstellation, bei der die Musik direkt auf die Filmhandlung reagierte, spiegelt nicht nur den kreativen Spirit des Jazz wider, sondern weist auch auf eine tiefe Verbindung zwischen Musik und visuellem Medium hin.

Improvisation und Kreativität

Im Zentrum des Albums steht Davis’ meisterhafte Fähigkeit zur Improvisation. Die gesamte Musik wurde während der Aufnahme frei improvisiert, was zu einer spontan fließenden, fast atemlosen Atmosphäre führt. Die Musiker, darunter prominente Namen wie der Pianist René Urtreger und der Bassist Pierre Michelot, begannen die Aufnahme, ohne im Vorfeld eine festgelegte Struktur zu haben, und ließen sich vollständig von den Bildern und der Handlung des Films leiten. Der Film, ein Noir-Thriller, dreht sich um eine kriminelle Geschichte und entfaltet eine düstere, spannende Atmosphäre – und genau diese Stimmung fängt die Musik perfekt ein. Mit seinen schwermütigen Trompetenlinien, den flirrenden Bass- und Schlagzeugrhythmen und den melancholischen Klavierklängen kreiert Davis eine Klanglandschaft, die die dunklen, dramatischen Szenen des Films widerspiegelt.

Miles Davis – Ascenseur pour l’Échafaud (1958)
Album Cover Ascenseur pour l’Échafaud vorgestellt von Steve Peterson

Verbindung zwischen Jazz und Film

Die Verbindung zwischen Jazz und Film in Miles Davis – Ascenseur pour l’Échafaud (1958) erinnert stark an die improvisatorische Freiheit, die später auch im Techno zum Tragen kommt, besonders im Detroit Techno. Jazz, wie er von Miles Davis in diesem Werk verkörpert wird, ist durch seine Flexibilität und seine Fähigkeit zur freien Entfaltung geprägt, was auch in der elektronischen Musik zu finden ist, besonders in den Arbeiten von Künstlern wie Jeff Mills und Laurent Garnier. Beide beziehen sich immer wieder auf Jazz als Einfluss, sei es in ihrer Liebe zu unvorhersehbaren, organischen Rhythmen oder in der Art und Weise, wie sie mit Klängen experimentieren und improvisieren.

Der Detroit Techno, der in den späten 1980er Jahren von Pionieren wie Mills und Garnier geprägt wurde, entstand in einer ähnlichen Atmosphäre der kulturellen Umbrüche und der ständigen Weiterentwicklung. Auch hier gab es ein ständiges Streben nach neuen Ausdrucksformen und einem tiefen Respekt vor der Improvisation. Jeff Mills, der als einer der zentralen Protagonisten des Detroit Techno gilt, hat wiederholt erklärt, wie sehr er von der Freiheit und der unvorhersehbaren Natur des Jazz beeinflusst wurde. Wie Davis’ Trompete in Ascenseur pour l’Échafaud plötzlich in einem Moment der Stille zu einem Höhepunkt aufsteigt, so erschaffen Mills und seine Kollegen in ihren Sets und Produktionen immer wieder neue, unerforschte Klangwelten, die den Moment und die Stimmung aufgreifen und in musikalische Form gießen.

Laurent Garnier, ein weiterer bedeutender Vertreter der elektronischen Musik, hat ebenfalls immer wieder betont, wie wichtig Jazz in seiner Entwicklung als Musiker war. Die Elemente von Improvisation und Rhythmus, die sowohl in Davis’ Musik als auch im Techno zu finden sind, verschmelzen hier zu einer Klangwelt, die immer wieder neue Facetten und Ausdrucksformen hervorbringt, ganz im Sinne der ungebremsten kreativen Freiheit, die sowohl den Jazz als auch den Techno charakterisiert.

Momente die Improvisation zur Kunstform erheben auf Ascenseur pour l’Échafaud

Ascenseur pour l’Échafaud zeigt in dieser Hinsicht, wie Musik nicht nur als Reaktion auf visuelle Eindrücke, sondern auch als eine ständige Auseinandersetzung mit der Freiheit des Augenblicks funktioniert. Die Jazzmusiker der 1950er Jahre, die mit solch einer Offenheit auf neue Wege gingen, sprachen mit ihrer Musik das gleiche Bedürfnis nach kontinuierlicher Erneuerung und Experimentierfreude an, das später den Detroit Techno prägte. Beide Genres, Jazz und Techno, erheben den Moment der Improvisation zur Kunstform – der eine durch den spontanen Dialog zwischen den Musikern, der andere durch den interaktiven Prozess zwischen DJ und Publikum.

Fazit

Ascenseur pour l’Échafaud ist nicht nur ein Meisterwerk des Jazz, sondern auch ein Beweis dafür, wie Kunst über Grenzen hinweg inspirieren kann. Es ist eine Einladung, die Freiheit des Momentes zu erleben und die kreative Kraft von Improvisation zu verstehen.