Manuel Göttsching – E2-E4 – Als Manuel Göttsching am 12. Dezember 1981 in seinem Berliner Studio spontan den Grundstein zu *E2-E4* legte, war ihm wohl kaum bewusst, dass er ein Album schuf, das nicht nur in der Geschichte der elektronischen Musik, sondern auch im Club- und Techno-Umfeld als Meilenstein gelten würde. Das knapp einstündige Werk, bestehend aus nur zwei Akkorden und in neun einzelne, nach Phasen eines Schachspiels benannte Tracks gegliedert, ist der Inbegriff minimalistischer Brillanz und einer fast meditativen musikalischen Reduktion.
Schon der Albumtitel *E2–E4*, eine Anspielung auf den klassischen Eröffnungszug im Schach, lässt vermuten, dass Göttsching hier weniger an konventionelle Songstrukturen oder Melodien dachte, sondern eher ein künstlerisches Spiel, eine Art musikalisches Strategie-Experiment inszenierte. Der Titel deutet auf einen präzisen, aber subtilen Ansatz hin, der sich im Verlauf des Albums immer weiter entfaltet – ähnlich wie ein gut geplantes Schachspiel.
Manuel Göttsching – E2-E4 – Faszination aus zwei Tönen
Das Faszinierende an *E2-E4* liegt nicht nur in seiner hypnotischen, fast tranceartigen Struktur, sondern auch in der Art und Weise, wie es aufgenommen wurde: in einer einzigen Session, ohne nachträgliche Bearbeitung. Diese Direktheit verleiht dem Album eine besondere Authentizität. Göttsching nutzte Synthesizer und einen Sequenzer, um eine sich wiederholende, schwebende Klanglandschaft zu kreieren, die sich im Verlauf des Stücks subtil entwickelt. Der Gitarrist, der als Mitglied von Ash Ra Tempel zuvor für psychedelisch-experimentelle Klangwelten bekannt war, setzt hier auf eine fast meditative Einfachheit. Die repetitive Struktur erzeugt einen hypnotischen Sog, der den Hörer von Anfang an in seinen Bann zieht.
Die Einzigartigkeit der Produktion zeigt sich auch in der ungeschliffenen Natur des Albums. Die gesamte Aufnahme, die an einem Nachmittag entstand, ist im besten Sinne roh und spontan. Dieser Prozess, ohne die Musik nachträglich zu bearbeiten, verleiht der Improvisation eine faszinierende Direktheit und Unmittelbarkeit. Jeder Klang, jede Schicht baut auf der vorangegangenen auf, ohne das Gefühl von Kontrolle oder Perfektionismus, was die Musik fast organisch wirken lässt.
E2-E4 – Ein minimalistischer Meilenstein der elektronischen Musik
Trotz seines minimalistischen Ansatzes weist das Werk eine bemerkenswerte Tiefe und Vielschichtigkeit auf. Die sanft fließenden Synthesizer-Linien verschmelzen mit pulsierenden Sequenzen, während Göttschings Gitarrenspiel dezent im Hintergrund schimmert und nur selten in den Vordergrund tritt. Es entsteht eine Art dialogischer Prozess zwischen den Klangtexturen, der sowohl beruhigend als auch hypnotisch ist.
Die Rezeption von *E2-E4* hat sich im Laufe der Jahre verändert. Während das Album bei seiner Veröffentlichung 1984 zunächst vor allem in Kreisen von Ambient- und Krautrock-Fans Beachtung fand, wurde es später von DJs und Produzenten der aufkeimenden House- und Techno-Szene als wegweisend entdeckt. Die repetitiven Sequenzen und die klare, einfache Struktur des Albums wirkten wie eine Blaupause für die elektronische Tanzmusik der 1980er und 1990er Jahre. Künstler wie Carl Craig und Derrick May nannten Göttsching als einen ihrer wichtigsten Einflüsse.
Die Schönheit von *E2-E4* liegt in seiner Zeitlosigkeit. Die Kombination aus minimalistischer Elektronik und subtiler Gitarrenarbeit hat eine universelle Qualität, die sowohl in ruhigen Momenten als auch in der hektischen Clubwelt funktioniert. Es ist ein Album, das nicht aufdringlich ist, sondern sich langsam entfaltet und den Hörer in einen tranceartigen Zustand versetzt.
Manuel Göttschings *E2-E4* bleibt ein faszinierendes Beispiel dafür, wie aus einer scheinbar einfachen Idee – zwei Akkorde und eine einzige Aufnahme – ein einflussreiches und revolutionäres Werk entstehen kann. Es ist eine Hommage an die Kunst des Minimalismus und beweist, dass weniger manchmal mehr ist.
